NRW-Landtag/CDU-Fraktion, Düsseldorf
Einführung zur Ausstellung im
NRW-Landtag am 21.09.2004

„Im Banne des Zauberers“


Sehr geehrter Herr Honorarkonsul, sehr geehrte Abgeordnete des Landtages, liebe Frau Ossowski, lieber Herr Orth, sehr geehrte Damen und Herren,

das Freundschaftsspiel zwischen Brasilien und Deutschland ist unentschieden ausgegangen. Wir können uns also ganz entspannt der Kunst aus Brasilien widmen.

Ich freue mich, dass diese Kunstwerke, die weit weg jenseits des Atlantiks entstanden, hier und heute in Düsseldorf zu sehen sind. Es ist ein Franzose, der uns in dieser Stadt ein neues Sehen nahe legte. Jean-Hubert Martin, Generaldirektor der Stiftung Museum Kunst Palast am Ehrenhof, hat mit der Ausstellung „Altäre. Kunst zum Niederknien“ und gerade aktuell mit „Africa Remix“ seine Idee verfolgt, den eingeschränkten Blick auf eine westliche Kunst, sprich euro-amerikanische Weltkunst, vom Abendland geprägt, aufzugeben und den Geist global zu weiten. Das gelingt nicht so einfach, wie einen Schalter umzudrehen. Lassen Sie uns das frisch Erlernte heute an dieser Ausstellung der CDU Landtagsfraktion einüben. Denn der brasilianische Künstler Paulo de Oliveira Simoes ist keineswegs ein Künstler an der Peripherie der Kunstwelt, der im amerikanischen Hinterhof den euro-amerikanischen Trends nacheilt.

Wer im Ehrenhof die Ausstellung „Africa Remix“ besucht, wird überrascht über die Vielseitigkeit und, mehr noch, die Kraft des Ausdruck, die diese afrikanischen Künstler scheinbar mühelos in ihre Werke gelegt haben. Auch bei Simoes treffen wir auf eine unbedingt kraftvolle Bilderwelt, verwirrend in ihrem Reichtum und naiver Fabulierlust. Erinnern wir uns, wie sehr Expressionisten und Fauves sich von den „Wilden“, von den ursprünglichen Naturvölkern inspirieren ließen. Nun, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, Simoes ist kein Wilder. Wir sprechen nicht von irgendwelchen Indianerstämmen im hinteren Amazonasgebiet. Simoes ist kultiviert, durch eine westliche Schule gegangen – und trotzdem anders.

Paulo de Oliveira Simoes ist heute 36 Jahre alt. Er hat Frau und Kind. Er steht mitten im Leben seines Heimatlandes Brasilien. Aber er lebt nicht in den Metropolen Rio de Janeiro, Sao Paulo oder Brasilia, sondern in der kleineren Stadt Canavieiras am Atlantik, eine Hafenstadt am Atlantik im Bundesland Bahia. Wenn sich bei Ihnen kein Aha-Effekt einstellt, kein Problem. Ich wusste es bislang ebenso wenig. Wichtig hervorzuheben ist, dass dort besonders die Einflüsse der in den vergangenen Jahrhunderten aus Schwarzafrika verschleppten Sklaven spürbar ist. Nun ist Simoes kein Schwarzer, ebenso wenig verfällt er in seinen Bildern in eine afrikanische Folklore. Auch nicht in eine brasilianische. Wenn wir Tanga-Bikini, Zuckerhut, Samba und Capoeira noch auf eine Reihe bekommen, werden wir diesen Bildern nicht gerecht.

Nach einem Bild dieser Ausstellung trägt die Präsentation im Düsseldorfer Landtag den Titel „Im Banne des Zauberers“. Und Sie müssen nicht Ihre Voodoo-Puppen hervorholen, um dazu zu gehören. Er sitzt im Zentrum und hält zwei Figuren in seinen Armen, in seinem Bann sozusagen. Hier in der Bannmeile des Landtages befinden wir uns ebenfalls in einem besonderen Bezirk, keinem heiligen. Auch wenn wir nicht religiös sind und ganz aufgeklärt nicht an Zauberei glauben, können wir uns einem gewissen Zauber des Geheimnisvollen nicht entziehen.

Die Bilder von Simoes befremden und faszinieren uns gleichzeitig. Sie kommen uns fremd vor, trotzdem erkennen wir bekannte Rätsel des Daseins. In seiner Kunst gelingt es dem brasilianischen Künstler, die europäische Kunstetappe des Surrealismus mit der naturnahen Bildsprache des schwarzen Kontinents zu einer eigenen Formensprache zu verweben. Auf uns abgebrühte West-Kunstgenossen wirkt sie kraftvoll, farbenfroh, voller Symbolik und magisch geheimnisvoll. Wohl dem, der so träumt. Ein Glückskind, wer solche Traumbilder auf Leinwand festhalten kann.

Thematisch kreisen seine Gemälde um den Kreislauf des Lebens, von der Zeugung bis zum Tod. Wie ein Magier der Farben entwirft Simoes in kraftvollen Bildern und Objekten eine Traumwelt jenseits bekannter Horizonte. Die wohl älteste Frauenskulptur der Archäologie zeigt eine übergewichtige Venus. In seinen Frauendarstellungen vervielfacht er Gesäßpartien und Brüste. Auch wenn dieser Teil in dieser Ausstellung ausgeblendet ist, handelt es sich nicht um platte Männerphantasien, sondern um konsequente bildliche Weiterführung eines naturnahen Schöpfungsglaubens. Eine schwarze Madonna, weiß angehaucht.

Simoes beobachtet die Menschen in seiner Umgebung. Sie hängen ab am „Sonntag am Strand“, spielen „Backgammon“. Simoes spürt Indianern nach wie den Nach-fahren schwarzer Sklaven. Aus dem verbotenen Tanz der Sklaven wurde die Kampfsportart Capoeira, die heute in unseren Fitnessstudios gelehrt wird. „Capoeira“ ist auch diese Ausstellung: Die Bilder schlagen um sich, aber sie wollen nicht verletzen, sie bestechen durch die Eleganz ihrer Erfindung, aber rühren an durch die unmittelbare Wucht ihrer einfachen Sprache.

So interessant in „Africa Remix“ die Kunst eines ganzes Kontinents auftritt, bei Simoes’ Kunst scheint ein ganzer Kontinent mitunter in einem Bild eingefangen zu sein. Das indigene Element, das Naturreligiöse, der schwarze Kontinent und das Erbe der europäischen Kolonialisten, dazu der Schatten der amerikanischen Supermacht, das ist ein Wunschpunsch, aus dem sich so manch herrliches Gericht brauen lässt. Paulo de Oliveira Simoes macht daraus kein berechenbares Programm, sondern eine einfühlsame Einführung in fremde Traumwelten. Surreal betont und wiederholt er Körperteile, Augen etwa, er absolutiert Köpfe – ET lässt grüßen.

„Wegreiniger für den Heiligen Bonaventura“ heißt ein Bild. Ein wunderbares Gleichnis für den Künstler, der den Weg frei macht mit seiner Kunst für höhere Erkenntnis. Bonaventura, als Kind von schwerer Krankheit genesen, wurde von seiner Mutter dem Orden des Hl. Franziskus versprochen. Das Gelübde der Armut und die Nähe zur Natur fallen auch in Canavieiras/Bahia auf einen fruchtbaren Boden, in einer Stadt, die durch Diamantenfunde zu Reichtum gelangte und heute in Bedeutungslosigkeit zu versinken droht.

Titel wie „Zwischen Tag und Nacht“ rühren an ein Traumbild, er besinnt sich aber auch an historische Fakten wie die „Entdeckung Brasiliens“. Wir haben trotz Caipirinha und Pele Brasilien noch längst nicht entdeckt. Lassen Sie uns „meditieren“ oder einfach einen „Sonntag am Strand“ verbringen. Alles Titel aus der Bilderwelt von Simoes. Noch unmittelbarer wird Simoes in seinen Skulpturen: Fundstücke, Treibholz aus den Sümpfen. Aus den Sümpfen der Fantasie drängt die Imagination an die Oberfläche des Bildes.

Genug der Worte. „Schweigen ist Gold“. Lassen Sie sich nicht wie im Bild die Lippen verkleben, lassen Sie sich nicht die Augen verkleistern, öffnen Sie sich einer völlig unabhängigen Sichtweise jenseits des Atlantiks. Überlassen Sie sich dem Banne eines Zauberers, überlassen Sie sich dem Zauber der Bilder von Paulo de Oliveira Simoes.

Vielen Dank für den Zauber Ihrer Aufmerksamkeit.

Dr. Heribert Brinkmann